Nicht alle in der industriellen Dichtungstechnik verwendeten Werkstoffe eignen sich für den Druck. Gummiwerkstoffe etwa vulkanisieren bei Hitzeeinwirkung aus und stehen daher für den Druck nicht zur Verfügung. Gerade die Vulkanisation, die unter Druck und Hitze erfolgt, sorgt jedoch für die ausreichende Homogenität des Werkstoffs und damit für die erforderliche Dichtheit der Dichtelemente. Von der Dichtheit hängt jedoch die Eigenschaft eines Dichtelements ab, die unerwünschte Diffusion der Einsatzmedien zu verhindern. Auch Dichtungen aus anderen Werkstoffen wie beispielsweise aus TPU schneiden, bedingt durch den Auftragungsprozess, gegenüber gespritzten und gedrehten Ausführungen deutlich schlechter ab.
Hochentwickelte 3D-Technik verfügt längst über ein breites Arsenal von Techniken. Unterschiedliche Düsendurchmesser ermöglichen extrem feine Auftragsraupen oder Tropfen. Bei der Herstellung gestochen scharfer Dichtkanten indes zeigt sich, dass die Fertigungstoleranzen im Vergleich zu dreh- und spritztechnischen Fertigungsverfahren oft zu groß ausfallen. Das Auftragssystem (Düse), die Mechanik des Werkzeugtisches und teilweise erforderliche Temperprozesse addieren sich zu weitaus größeren Toleranzen als die von der Spritztechnik bekannten. Noch größer ist der Abstand, und damit der Qualitätsunterschied, wenn man 3D-Verfahren mit moderner Drehtechnik vergleicht, die noch präzisere Ausführungen ermöglicht.
Besonders anspruchsvolle Lösungen wie Rotationsverteiler in Werkzeugmaschinen müssen weiterhin spanend oder in Spritzgusstechnik hergestellt werden. Hier sind mehrere Dichtungen in Reihe verbaut, die unterschiedlichste Anforderungen sowohl an die Druck- und Medienbeständigkeit als auch an das Reibungsverhalten, die Dichtheit und somit die Dichtkantenausführung erfüllen müssen. Oft bedingen kleine Einbauräume und geringe Vorspannungen höchste Anforderungen an Werkstoff und Fertigungsverfahren. Bedingt durch den kleinsten Düsendurchmesser und Raupenauftrag im 3D-Druck können nicht alle Produktmaße hergestellt werden.
Ähnliches gilt für Dichtungen in Hochdruckpumpen, die bei einer Druckfestigkeit bis zu 6.000 bar eine hohe Verschleißfestigkeit bieten sollten, um Wartungsintervalle möglichst gering zu halten.
Spanende Fertigung empfiehlt sich daher weiterhin als „konventionelle“ Alternative zum 3D-Druck. Und sie ist auch attraktiv: Die CNC-gestützte SKF SEAL JET-Technik etwa erlaubt die flexible Herstellung von Prototypen, Vor- oder Kleinserien und Produktausläufen aus nahezu allen bekannten Dichtungswerkstoffen. Frei programmierbare Geometrien wie Faltenbälge oder Nutringe, bzw. beliebige Dichtungen und Formteile sind schnell und ohne Formkosten realisierbar. Alle am Markt üblichen Dichtungsprofile stehen in parametrisierter Form zur Verfügung. Für Mengenanwendungen können Serienteile dann mit nahezu identischen Eigenschaften gespritzt werden.
Drucken oder Drehen: Jedes der beiden Verfahren hat seine Berechtigung und definiert seine Eignung durch die zu verwendenden Rohstoffe, sowie durch die für den Erfolg der Anwendung nötigen Oberflächen und Toleranzen. Es ist davon auszugehen, dass sich additive Verfahren auch auf dem Gebiet der Dichtungstechnik etablieren werden, sobald für die geschilderten Beschränkungen Lösungen gefunden sind.
Quelle: SKF Economos Deutschland GmbH
Dieser Artikel erschien am 4.September 2015 in der Industriezeitschrift